Herausforderungen

Den eigenen Weg in der katholischen Kirche zu verteidigen, ist in der gegenwärtigen Zeit nicht einfacher geworden.
Gerade teilte wieder eine nahe Bekannte mit, dass sie nun genug hat und jetzt wegen Äußerungen des Papstes Franziskus aus der Kirche austreten wolle. Aktuell sind wieder sehr öffentlichkeitswirksam sechs prominente Schweizer Politikerinnen und Theologinnen aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Von „Abtreibung gleich Auftragsmord“ sprach Papst Franziskus bei seiner wiederkehrenden Mittwochsaudienz auf dem Petersplatz im Oktober und erschreckte damit viele ihm zugewandte Menschen. Auch mich.

Wie soll ich vernünftig darauf reagieren?

Keine Frage: Leben, auch werdendes Leben, sollte immer geschützt sein, aber es gibt Umstände, die eine besondere menschliche Lösung brauchen. Ich erinnere dazu an die heftigen Diskussionen um katholische Schwangerschaftskonfliktberatung vor zwanzig Jahren und den schweren Stand den die deutschen Bischöfe damals unter Leitung von Kardinal Lehmann gegen Rom hatten.

Aber selbst austreten? Nein, kein Davonlaufen! Denn ich fühle mich als Christ besonders der Ortskirche verbunden. Und hier sehe ich viel Gutes und kann selbst mitarbeiten und auch Kritisches einbringen, mit leben in einer Gemeinschaft und bereichert werden von seiner Vielfalt.

So bin ich auch schon Jahrzehnte Parteimitglied in der SPD und arbeite im Ortsverein mit. Ausgetreten sind hier schon viele. Wo sind sie hin? In die Passivität? Hoffentlich nicht nach Links- oder Rechtsaußen.
Das Allerbeste ist auch hier: Mitmachen, sich interessieren und fair miteinander umgehen.

4 Gedanken zu „Herausforderungen

  1. Lieber Thomas, ich will nicht einen öffentlichen Kommentaraustausch beginnen, aber einmal möchte ich Dir doch auf Deinen Beitrag öffentlich antworten, weil ich denke, dass das Thema viele interessiert.
    Mit der Wortwahl (Auftragsmörder) kann man nicht einverstanden sein, da stimme ich Dir zu. Aber ich bleibe dabei, dass der Papst nicht gesagt und erst recht nicht gemeint hat, „Abtreibung ist Auftragsmord“. Das haben die Medien daraus gemacht und es ist ein Beispiel, wie mit Informationen Meinung und Stimmung gemacht wird. Genauso gut hätte über die Ansprache des Papstes auch mit folgenden Überschriften berichtet werden können:
    „Papst prangert teilnahmslose Gesellschaft gegenüber Abtreibungsproblematik an“
    „Papst fordert Solidarität und „wirkliche Nähe“ für Eltern, die ein behindertes Kind erwarten“
    „Papst: Menschliches Leben zu töten ist keine gerechte Problemlösung“
    Aber dieses Anliegen des Papstes tauchte weder in den Überschriften, noch in den Texten auf. Und so ist auch die wütende Reaktion des Dekan Kuhbach letztendlich grundlos. Der Papst hat gerade nicht gesagt: Abtreibung = Auftragsmord. Das wurde nur so berichtet. Sein eigentliches Anliegen ging in dem Geschrei unter.
    Und auch in einem anderen hat der Dekan nicht Recht: dass der Papst keine deutlichen Worte im Missbrauchsskandal spricht. In seinem Schreiben „An das Volk Gottes“ vom 20.08.2018 bezeichnet Franziskus den Missbrauch an Minderjährigen klar als Verbrechen. Früher hatten Kirchenvertreter die Taten meist lediglich als Sünde bezeichnet. „Die Wunden verjähren nie“, schreibt Franziskus, er spricht von „Scham und Reue“. Die Kirche habe „die Kleinen vernachlässigt und allein gelassen“. Eine „Null-Toleranz-Haltung“ müsse verbreitet und Rechenschaft von denen gefordert werden, die diese Verbrechen begehen oder decken. Er fordert einen Kulturwandel und prangert eine „anomale Verständnisweise von Autorität in der Kirche“ an. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heiße, zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen, so der Papst. Quelle: Tagesschau.de Stand: 20.08.2018.
    Erst im Oktober 2018 laisierte Franziskus den früheren Erzbischof Francisco José Cox Huneeus und den ehemaligen Bischof Marco Antonio Ordenes Fernández. Beide verloren ihren Bischofstitel und sind auch keine Priester mehr. Grund für die Strafe seien „offenkundige“ Misshandlungen von Minderjährigen, teilte der Vatikan mit. Die sogenannte Laisierung ist die schwerste Strafe, die die katholische Kirche gegen Priester verhängen kann. Die Betroffenen verlieren sämtliche Ämter, Rechte und Aufgaben, die mit dem Stand als Kleriker zu tun haben. Auch privat dürfen sie keine priesterlichen Funktionen mehr ausüben. Quelle: Spiegel online, Stand 14.10.2018.
    Reicht das dem Dekan nicht oder weiß er das nicht, urteilt aber trotzdem?
    Zu oft habe ich erlebt, dass in den Medien falsch oder verzerrt berichtet wird, genau mit dem Ziel, Stimmung zu machen. Und das folgt dann daraus: die Anschuldigung ist schon Grund genug für die Verurteilung, „ohne Umschweife“ weg mit ihnen („ans Kreuz mit ihm?!“), Verspottung der Täter („Purpurwürde absprechen“), der Gescholtene hat „kein Recht, den Mund aufzumachen“ usw.. Wollen wir als Christen da mitmachen? Ich weiß nicht.
    Ich wollte mit meinem Beitrag zweierlei erreichen: 1. Dass wir versuchen, zu verstehen und uns nicht vom anti-katholischen Mainstream verunsichern oder gar manipulieren lassen (aber freilich auch keine rosarote Brille aufsetzen), sondern genau hinschauen; 2. Den Mut haben, geduldig gegen den Mainstream aufzustehen und die ganze oder jedenfalls unsere Wahrheit auszusprechen, auch wenn das niemand hören will oder wir dafür sogar angefeindet werden. Und außerdem wollte ich dem Toni danken für seinen Mut machenden Beitrag.

  2. Lieber Michael,
    vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Er macht darauf aufmerksam, dass Äußerungen von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, oftmals total aus dem Zusammenhang heraus zitiert werden, und dadurch falsche Eindrücke entstehen können. Du hast Dir die Mühe gemacht, den richtigen Kontext herzustellen, was die Äußerung unseres Papstes Franziskus zur Ansprache zum fünften Gebot, in Verbindung mit Abtreibung, betraf. Trotz alledem bleibt ein „Gschmäckle“.

    Der Dekan Ingo Kuhbach (Leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Mittleres Jagsttal im katholischen Dekanant Hohenlohe) schrieb dazu im katholischen Sonntagsblatt 43/2018 folgenden Leserbrief:

    „Vorweg: Ich bin gegen Abtreibung. Aber das, was Papst Franziskus vor versammeltem Gottesvolk auf dem Petersplatz vom Stapel gelassen hat, macht mich wütend. Abtreibung = Auftragsmord, ein behindertes Kind ein Gottesgeschenk, das Eltern aus der Ichsucht befreit. Alles sehr katholische Sichtweisen. Aber: Hat dieser Pontifex ähnlich harte und klare Worte gefunden, wenn es darum ging, Vergehen von Geistlichen unmissverständlich zu verurteilen? Solange der Stellvertreter Christi nicht genauso scharfe Worte findet für Kinderschänder unter den Geistlichen, solange er Kardinälen nicht ohne Umschweife die Purpurwürde abspricht, wenn sich herausstellt, dass sie sich sittlich-moralisch vergangen haben, dann hat er keinerlei Recht, solche Äußerungen kundzutun. Ist dem Nachfolger Petri klar, dass vor allem Frauen sich durch ein behindertes Kind aus der Selbstsucht befreien lassen müssen, während nicht wenige Männer sich weiter wohlfühlen in diesem Gefängnis? Ist ihm bewusst, dass Missbrauch Mord an einer Seele ist? Solange ich nicht den Eindruck gewinnen kann, dass im Vatikan ähnlich scharf und unbarmherzig in diesem Punkt argumentiert wird, pfeife ich auf solche Worte aus päpstlichem Mund.“
    Und dieser Meinung von Dekan Kuhbach kann ich mich nur anschließen. Die Glaubwürdigkeit unserer Kirche steht auf dem Spiel und unsere Kirchenleitungen betreiben weiterhin Symptombehandlungen und vermitteln uns noch verbliebenen Katholiken, dass alles wieder gut wird. Aber das wird es nicht, wenn unsere Kirche sich nicht von Grund auf ändert. Dazu bedarf es einer Demutshaltung, einer Seelsorge, die bei den Menschen ankommt und einer Spiritualität, nach der sich viele sehnen und die sie in den Gottesdiensten oft nicht mehr erleben dürfen. Auch mir ist klar, dass es kein Patentrezept gibt. Aber es gibt viele Priester, die einen Aufschrei tätigten, wie z. B. Thomas Frings (ehemals Pfarrer in Münster – sein Buch: Aus, Amen, Ende!?), die 11 Priester aus Köln, mit ihrem offenen Brief (Link dazu: (https://www.domradio.de/themen/erzbistum-koeln/2017-01-10/der-brief-der-priester-des-weihejahrgangs-1967-im-wortlaut ), oder der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler (sein Buch: Himmel, Herrgott, Sakrament). Sie machten konkrete Verbesserungsvorschläge und sorgten damit für Unmut in ihren Führungsgremien. Thomas Frings bekam keine Pfarrei mehr zugeteilt mit den Worten „für jemanden wie Sie haben wir keinen Platz“.
    Das ist so schade!

  3. Danke für deinen Beitrag, lieber Toni. Es ist nicht leicht im Moment, zu unserer Kirche zu stehen, aus vielerlei Gründen. So vielen Menschen wird die Teilnahme an der Eucharistie verweigert, die immer noch vorhandene Verschleierungshaltung mancher Diözesen im unsäglichen Missbrauchsskandal, die Verleugnung von Priester-Kindern, der Rückschritt beim gemeinsamen Abendmahl, Frauen im Weiheamt, die Intrigen im Vatikan usw. Viele Gründe gibt es, die es einem schwer machen. Aber die Aussage des Papstes zur Abtreibung gehört meiner Ansicht nach nicht dazu. Wie bitte?
    Die in fast allen, auch seriösen Zeitungen, zitierte Aussage des Papstes zur Abtreibung („Papst vergleicht Abtreibung mit Auftragsmord“ – SZ vom 10.10.2018) hat auch mich zunächst verstört. Auf Franziskus hatten wir so große Hoffnung gesetzt, dass Barmherzigkeit nicht nur ein hohles und angesichts der vielen Beispiele von Unbarmherzigkeit in der Kirche zuweilen sogar zynisches Schlagwort bleibt, sondern gelebte Wirklichkeit werden mag. Und dann das. Ich kann deine Bekannte verstehen.
    Schaut man aber genau hin, so wird deutlich, dass sich kaum einer die Mühe gemacht hat, den Papst zu verstehen. Der Papst hatte sich über das 5. Gebot, („Du sollst nicht töten“) Gedanken gemacht und kam, neben Kriegen, Ausbeutung usw. auch auf Abtreibungen zu sprechen, dass manche Menschen lieber ihr ungeborenes Kind töten, als mit dessen Behinderung leben wollten. Es könne aber, so der Papst, niemals richtig sein, ein „Problem“ dadurch zu lösen, dass man dafür einen Menschen „beseitigt“. Wörtlich sagte er: „Ich frage Euch: ist es gerecht, jemanden umzubringen, um ein Problem zu lösen? Das kann man nicht machen, es ist nicht gerecht, einen Menschen umzubringen, auch wenn er klein ist.“ Ich denke, dem kann man noch zustimmen.
    Dann aber folgte der Satz:“ Es ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.“
    Der Papst hat eine harte Wortwahl getroffen, die viele Betroffenen verletzt, ohne Frage. Aber will er wirklich sagen, dass Abtreibung ein Auftragsmord ist, dass Frauen, die abgetrieben haben, einen Mord in Auftrag gegeben haben und also ihrerseits Mörderinnen sind? Das halte ich für abwegig. Es ging ihm darum, den Blick darauf zu lenken, dass Abtreibung als „Problemlösung“ wider das menschliche Leben nicht „gerecht“, also richtig sein kann. Angesichts der Ansicht, Abtreibung sei u.a. ein gangbares Mittel, um den Eltern und dem Kind das „Problem“ eines Lebens mit Behinderung zu ersparen, kann ich den Papst verstehen, dass er das Leben in den Mittelpunkt stellt.
    Was in den Medien nicht zu lesen war: der Papst kritisiert keineswegs die Frauen, die abgetrieben haben, sondern die teilnahmslose Gesellschaft, die die Betroffenen allein lässt. Wenn Eltern die Diagnose einer schweren Behinderung ihres ungeborenen Kindes bekämen, bräuchten sie, so Franziskus, „wahre Nähe“ und Solidarität, um ihre Ängste zu überwinden. „Stattdessen bekommen sie hastige Ratschläge, die Schwangerschaft abzubrechen“ und weiter „In jedem kranken Kind, in jedem schwachen alten Menschen, in jedem verzweifelten Migranten, in jedem zerbrechlichen und bedrohten Leben sucht Christus uns“. Dahinter, denke ich, können wir als Christen stehen, auch wenn ich über seine unbedachte Wortwahl („Auftragsmörder“)den Kopf schütteln möchte. Es ist schwer für uns, gegen den katholisch-kritischen Mainstream in den Medien und der Gesellschaft zur Kirche zu stehen und ich verüble niemand, wenn er sich enttäuscht abwendet. Aber wir, die wir dabei bleiben, können uns gegenseitig Mut machen.

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