Liebe gewinnt

Regenbogenfahnen, Regenbogenstadion, Regenbogenarmbinde, Regenbogenschirme, Regenbogen soweit man gucken kann. Außerhalb der katholischen Kirche waren die Regenbogenzeichen vor dem Vorrundenspiel Deutschland gegen Ungarn zu sehen. Die LGBTQIA+ Community ist nicht nur durch den Christopher Street Day oder den Pride Month, der  im Juni gefeiert wird in den Medien. Sondern immer öfter wird aufmerksam gemacht, dass Liebe vielfältig ist, Geschlechter vielseitig sein können. Innerhalb der katholischen Kirche gingen bereits Mitte März die Regenbogenfahnen und Solidaritätsbekundungen durch alle sozialen Netzwerke. Anstoß dafür war das römische Dekret, in dem es heißt, dass homosexuelle Verbindungen in Gottes Plan nicht vorgesehen seien. (Vgl. Stellungnahme des BDKJ Rottenburg-Stuttgart)

Von Eva Schlegel

Doch was bedeutet LGBTQIA+ überhaupt? Und was sagt die Bibel zu Homosexualität? Und welche Handlungsempfehlung gibt Jesus? Fragen denen dieser Artikel ein wenig nachgehen möchte, ohne den Anspruch vollständig zu sein.

Begriffsklärung

Was man unter LGBTQIA+ versteht:

  • L= Lesbian (lesbisch: Frau liebt Frau)
  • G= Gay (schwul: Mann liebt Mann)
  • B= Bisexuell (bisexuell: Mann liebt Frau und Mann, Frau liebt Mann und Frau)
  • T= Transgender (transgender: Geschlechtsidentität stimmt nicht mit dem nach der Geburt anhand der äußeren Merkmale eingetragenen Geschlecht überein)
  • Q= Queer (queere: Personen, die in geschlechtlicher oder sexueller Hinsicht von den heteronormativen Regeln abweichen
  • I= Intersex (intergeschlechtlich: bezeichnet sehr unterschiedliche klinische Phänomene mit unterschiedlichen biologischen Ursachen, dass Menschen nicht eindeutig durch ihre äußeren Merkmale einem Geschlecht zugeordnet werden können)
  • A= Agender (fühlen sich keinem Geschlecht eindeutig zugeordnet); asexuell (haben kein Interesse an Sexualität, nicht selbst gewählte Enthaltsamkeit, sondern kein Verlangen nach Sex)
  • += Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten
Die Regenbogenfahne als Zeichen der LGBTQIA+ Community

Homosexualität in der Bibel

Viele Christ:innen, besonders solche, die sich konservativ oder fundamental nennen, verurteilen Homosexualität aufs Äußerste und argumentieren mit der Bibel. Laut Bibel soll Homosexualität verboten und Gott „ein Gräuel“ sein.

Schauen wir die Bibelstellen an, bei denen Homosexualität thematisiert wird, stellt sich schnell heraus, dass es sich nicht um die uns heute bekannte Homosexualität geht, in der die gegenseitige Verantwortung, Liebe und Respekt Bedeutung hat. Sondern, dass es um Macht, Machtmissbrauch und eine ganz andere Weltordnung geht.

In der Bibel gibt es fünf Stellen, an denen Homosexualität thematisiert wird:

  • Levitikus 18,22: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel.“
  • Levitikus 20,13: „Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide haben den Tod verdient; ihr Blut kommt auf sie selbst.“
  • Römer 1, 26-27: „Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“
  • 1 Korinther 6,9: „Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, …“
  • 1 Timotheus 1,10: „…Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, für Leute, die lügen und Meineide schwören und all das tun, was gegen die gesunde Lehre verstößt,…“

Jesus spricht nicht darüber und verurteilt Homosexualität auch nicht.

Homosexualität im Alten Testament: Levitikus 18,22 und Levitikus 20,13

Schaut man sich diese Bibelstellen nun im historisch-kritischen Zusammenhang an, wird deutlich, dass es bei den beiden Stellen aus Levitikus nicht um Partnerschaft geht, sondern um Macht. Frauen hatten in diesem System keine Rechte und waren nichts wert. Dadurch dass zwei Männer miteinander Geschlechtsverkehr hatten und damit einer die Rolle der Frau einnahm, wurde dieser gedemütigt und auf eine Stufe mit den Frauen gestellt, die ja nichts wert waren. Also wurde die gesamte Männerschaft durch den Akt des Analverkehrs verraten und das war ein absolutes No-Go, also: Todesstrafe.

Außerdem galt der Same des Mannes als zu kostbar um an Analverkehr verschwendet zu werden. Ein Mann musste möglichst viele Kinder zeugen. Sie waren seine Lebensversicherung: Fortbestand des Genpools, Arbeitskraft und Sicherung der Gesellschaft. Man ging damals davon aus, dass der Mann  nur eine begrenzte Anzahl an Samen hat. Deshalb durfte der Samen auch nicht „zu Boden fallen“ (Genesis 38,9: „Onan aber wusste, dass die Nachkommen nicht ihm gehören würden. Sooft er zur Frau seines Bruders ging, ließ er den Samen zur Erde fallen und verderben, um seinem Bruder Nachkommen vorzuenthalten.“), also Mann durfte nicht onanieren.

Das Alte Testament wörtlich nehmen

Würden wir nun also die Bibelstellen aus Levitikus wörtlich nehmen, dass Analverkehr zwischen zwei Männern; über Geschlechtsverkehr oder gar Liebe zweier Frauen spricht die Bibel übrigens überhaupt nicht; Gott ein Gräuel ist, müssten wir noch ganz andere Dinge sein lassen und verteufeln, die Gott ebenfalls ein Gräuel sind:

  • Schweinefleisch essen (Lev 11,26)
  • sich den Bart stutzen (Lev 21,5)
  • Kleidung aus Mischgewebe tragen (Lev 19,19)

Wir merken also: Entweder lassen wir alles sein, was Gott ein Gräuel ist oder wir aktzeptieren, dass Welt und Gesellschaft sich wandeln und manches Gesetz überholt ist.

Die Bibel wörtlich nehmen, kann sehr schwer sein...
Homosexualität im Neuen Testament

In Römer 1,26-27 hat der Apostel Paulus ausschweifende Orgien am Kaiserhof vor Augen, die vermutlich auch uns heute noch schockieren würden. Die adligen Herrschaften lebten ihre sexuellen Fantasien damals mit „Lustknaben“, also Sexsklaven aus. Dabei ging und geht es nie um Liebe und Partnerschaft, sondern um perverse Ausbeutung und Missbrauch. Also gut, dass Paulus diese Praktiken verurteilt hat.

Auch in den Bibelstellen 1 Korinther 6,9 und 1 Thimotheus 1,10 geht es nicht um Sexualität und Partnerschaft auf Augenhöhe, sondern um Ausbeutung von Sexsklaven und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Diese Bibelstellen herzunehmen, um mit ihnen die liebevolle, verantwortungsvolle Partnerschaft homosexueller Menschen zu beurteilen, ist gegen jede Vernunft.

Fazit und was Jesus sagt

Beim Betrachten der Bibelstellen wird wieder einmal deutlich, dass diese in ihrem historisch-kritischen Zusammenhang gelesen werden müssen und nicht aus dem Kontext herausgerissen werden dürfen. Das gilt für alle Bibelstellen, was aber nicht heißt, dass sie für unser heutiges (Glaubens-)Leben ohne Bedeutung wären. Ganz im Gegenteil: Die Bibel ist eine Sammlung von wichtigen, inspirierenden Geschichten, die Menschen mit Gott gemacht haben und die deutlich machen, wie Gott ist, die uns anfragen, wie wir sein wollen und womit wir die von Gott gedachte Welt besser machen können.

Jesus dabei als Vorbild zu nehmen und sich an seinem Tun zu orientieren, halte ich für einen sehr guten Weg die Welt zu einer friedlicheren zu machen. Daher bin ich sicher, dass Jesus mit seiner Antwort auf die Frage, welches Gesetz das wichtigste ist, alle Menschen, egal welche sexuelle Orientierung sie haben, einschließt:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lukas 10,27)

Wer mehr über das Thema Homosexualität in der Bibel lesen möchte, dem verlinke ich die Artikel bzw. Beiträge, die ich als Grundlage für diesen Beitrag genommen habe:

2 Gedanken zu „Liebe gewinnt

  1. Liebe Eva,
    vielen Dank für diesen sachlichen und klärenden Artikel. Er wird hilfreich sein bei weiteren Diskussionen.

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