Über den Tellerrand geschaut – Ökumenisches aus Trochtelfingen (Teil 1)

Beim Stichwort 500 Jahre Reformation denkt man als katholischer Christ erst einmal an 500 Jahre Kirchenspaltung. Umso schöner, dass das Lutherjahr von der evangelischen Kirche bewusst auch im Zeichen der Ökumene gefeiert wird.In vielen Gemeinden wird Ökumene längst gelebt. Konfessionsverschiedene Ehen? Früher undenkbar, heute ganz normal. Weltgebetstag – selbstverständlich ökumenisch! Warum also nicht ein ökumenisches Fest feiern?

von Tanja Kury-Rilling

Das haben sich Pfarrer und Kirchengemeinderat der evangelischen Christusgemeinde in Trochtelfingen auch gedacht und sind bei Pfarrer und Pfarrgemeinderat der katholischen Kirchengemeinde St. Martin auf offene Ohren gestoßen.

Die erste ökumenische „Kirchenhockete“ in der Gesamtstadt

Gesagt, getan. Am 25.06.2017 feierten zahlreiche evangelische und katholische Christen bei schönstem Sommerwetter ein Sommerfest der besonderen Art: die erste ökumenische Kirchenhockete in der Gesamtstadt. Da der evangelische Pfarrer Ekkehard Roßbach aus Wannweil stammt, fanden sich auch einige Christinnen und Christen aus Wannweil ein, um gemeinsam konfessions- und gemeindeübergreifend Ökumene zu feiern.

Der evangelische Pfarrer Ekkehard Roßbach und sein katholischer Kollege Pfarrer Wolfgang Drescher mit Gemeindemitgliedern

Stimmungsvoller Auftakt war ein ökumenischer Gottesdienst auf der Wiese vor dem Gemeindehaus der evangelischen Kirche. Dieser war geprägt von einem harmonischen und völlig gleichberechtigten Miteinander. Das begann schon beim Einzug. Feierlich schritten Mitglieder des evangelischen Kirchengemeinderates und des katholischen Pfarrgemeinderates sowie der evangelische Pfarrer Ekkehard Roßbach und sein katholischer Kollege Pfarrer Wolfgang Drescher von der evangelischen Kirche zum Altar im Grünen mit einem schlichten Kreuz aus Birkenholz. Der Altar wurde flankiert von einem eigens für diesen Gottesdienst von einem Gemeindemitglied der kath. Martinsgemeinde, Herrn Sebastian Stanecker erstellten mehrere Meter hoch in den Himmel ragenden Kreuz aus Birkenholz. Ein schönes Sinnbild für die Ökumene: beginnend im Kleinen in Gestalt des schlichten kleinen Kreuzes, die heranwächst zu einem großen, in den Himmel ragenden Baum in Gestalt des großen Kreuzes.

Altar im Grünen mit einem schlichten Kreuz aus Birkenholz

Der gesamte Gottesdienst wurde abwechselnd von Pfarrer Drescher und Pfarrer Roßbach sowie den Mitgliedern des evangelischen Kirchengemeinderates und des katholischen Pfarrgemeinderates zelebriert und gestaltet. Schon in der Begrüßung machten die beiden Pfarrer deutlich, dass sich Evangelische und Katholiken nach der Spaltung der christlichen Kirche im Zuge der Reformation vor 500 Jahren nunmehr seit mehr als 50 Jahren auf dem Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft befinden und die Gläubigen viel mehr verbindet als trennt und man sich deshalb an diesem Tag gemeinsam versammeln konnte. Nicht verschwiegen wurden der Schmerz und die Trauer über die Spaltung, aber auch die gemeinsame Dankbarkeit und Freude am Evangelium betont.

Nicht nur das Leiden an der Spaltung der Kirche, sondern auch die Freude an der großen Gemeinsamkeit

Dies setzte sich in der Lesung über die Kirche als der Leib Christi fort, die das Pauluswort aufgriff: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm.“ Die evangelischen und katholischen Christen als Glieder dieses einen Leibes Christi, da war es nur konsequent, nicht nur das Leiden an der Spaltung der Kirche, sondern auch die Freude an der großen Gemeinsamkeit und Freude am Herrn Jesus Christus gemeinsam in diesem Gottesdienst und auf vielfältige andere Art darüber hinaus zu spüren und miteinander zu teilen. Eine evangelische Christin äußerte die Dankbarkeit der evangelischen Christen über die Leistung der Reformatoren, allen das Verständnis des Evangeliums von Jesus Christus und des Glaubens an ihn eröffnet zu haben, und den Wunsch, dieses Geschenk nicht nur für sich zu beanspruchen, sondern dies auch mit allen anderen Christen zu teilen. Eine katholische Christin verwies auf die vielen Gemeinsamkeiten im Glauben, für das katholische und evangelische Christen dankbar sein könnten. Ermutigt durch das Zweite Vatikanische Konzil anerkenne und hochschätze man mit Freude die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe und umarme sich mit Freude und Dankbarkeit als Schwestern und Brüder im Herrn. Aber auch der Schmerz über Versagen und Verletzungen, Schuld und Sünde wurde thematisiert, die Vermischung des Evangeliums mit politischen und ökonomischen Interessen der Machthaber und das hierdurch verursachte Leid durch Missbrauch von Religion und Glaube.

Das Weltgericht, Wandfresko - Kath. Kirche St. Martin Trochtelfingen

Ein schönes Zeichen der Gemeinschaft und des Willens zum Frieden im Gottesdienst war der aus der katholischen Kirche bekannte Friedensgruß, bei dem jeder seinen Nachbarn durch das Reichen der Hand ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung gibt. Diese Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen, wurde von den Gottesdienstbesuchern gerne und rege genutzt.

In Teil 2 erfahren Sie über das Evanglium und die von den Pfarrern im Wechsel gestaltete Predigt.

Ein Gedanke zu „Über den Tellerrand geschaut – Ökumenisches aus Trochtelfingen (Teil 1)

  1. Solange die römisch-katholische Kirche die evangelische Kirche nicht als Kirche, sondern nur als kirchliche Gemeinschaft anerkennt, kann es für mich keine Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche geben. Dies ist mit ein Grund, warum ich keine ökumenischen Gottesdienste besuche.
    Sie sehen, es gibt auch auf der evangelischen Seite Hardliner.

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