Warum es sich lohnt in der Kirche zu bleiben

Die Austrittszahlen schnellen in die Höhe. Im Januar sind, auch in unserer Kirchengemeinde, bereits mehr Menschen ausgetreten als im Januar des vergangenen Jahres.
„Warum sollte man in dieser Situation in der Kirche bleiben und ihr nicht den Rücken kehren?“ Darauf gibt Pfarrer Dr. Tomas Begovic in diesem Beitrag eine Antwort.

Ich weiß, dass die Kirche, als Institution und besonders einzelne Menschen in ihr, schwere Sünden auf sich geladen hat, die jetzt sichtbar geworden sind. Darüber, was geschehen ist, empfinde ich persönlich Scham und Schmerz. Das darf es nicht geben.

Unser Glaube braucht die Gemeinschaft.

Doch die Kirche ist mehr als eine Institution. Sie ist eine Gemeinschaft von Menschen, die ihren Glauben leben, lieben, pflegen und weitergeben. Der Glaube ist ein kostbarer Schatz. Menschenwürde, Freiheit, Unantastbarkeit des Lebens, Hoffnung, nicht nur in schweren Situationen, sondern über den Tod hinaus, die Liebe Gottes zu uns Menschen – all das will er uns vermitteln und erschließen.

Schutzkonzepte sollen helfen.

Die Reinigung und die Umkehr sind ein mühsamer Prozess, von dem nicht nur die Täter betroffen sind, sondern die ganze Gemeinschaft der Glaubenden. Unsere Diözese und die Kirchengemeinden haben ein Schutzkonzept entwickelt, damit der Missbrauch nie wieder möglich ist. Die Opfer müssen Schutz und Hilfe bekommen.

Wer austritt, trifft nicht Rom oder DIE katholische Kirche

Ein Austritt trifft vor allem uns, die Kirchengemeinde vor Ort. Sind Sie unzufrieden mit unserer Kirche hier vor Ort in Kirchentellinsfurt, Kusterdingen und Wannweil. Dann sind wir offen und dankbar für jede Anregung und auch Kritik, die etwas verbessern will. Wir freuen uns, wenn Sie auf uns zukommen. Wenn wir ins Gespräch kommen über Glaube, Kirche und gemeinsam Wege finden, wie wir die Frohe Botschaft von Jesus hier in unseren Gemeinden ehrlich und vertrauenswürdig verkünden und leben können.

3 Gedanken zu „Warum es sich lohnt in der Kirche zu bleiben

  1. Ich habe Menschen, die ich kenne, gefragt, warum sie aus der Kirche ausgetreten sind.
    Einer sagte, er hätte gerne Kontakt mit der katholischen Gemeinde aufgenommen, aber nichts gefunden, was seinem Alter (junger Erwachsener) entsprochen hätte; für Kinder und Jugendliche, das schon, sowie einige Kreise und Gruppen, aber alles für ältere Insider. Das wahrnehmbare Angebot sei eben, wenn man wolle, in den Gottesdienst am Sonntag zu kommen.
    Ein anderer sagte, er sei schon lange nicht mehr in den Gottesdienst gegangen, weil es ihm nichts mehr sagte. An Weihnachten vielleicht, aber er verstand nicht, was dort geschieht und was das mit seinem Leben praktisch zu tun haben soll. Er fand keine Antworten für sich. Wieder ein anderer sagte, ihn habe abgestoßen, wie reich die Kirche sei, welche riesige Vermögen und Besitztümer sich da angehäuft hätten.
    Mehrfach wurde der Missbrauchsskandal genannt, aber nicht nur wegen der furchtbaren Taten, sondern vor allem wegen der Doppelmoral: die gleiche Institution, die den Menschen moralische Vorschriften machen will, sie wegen ihrer (Homo-) Sexualität ausgrenzt, wiederverheiratete Arbeitnehmer wegen ihres „unmoralischen“ Lebenswandels kündigt, an antiquierten Sexualvorschriften festhält usw. entpuppt sich selber als der tiefste Sumpf der Unmoral. Alle nannten, dass sie es nicht mehr einsahen, die Kirchensteuer zu bezahlen. Einige davon sind weiter auf der Suche nach einer geistigen/spirituellen Heimat und nutzen z.B. Angebote im Internet.

    Wieder andere, von denen ich gehört bzw. gelesen, aber nicht selber gesprochen habe, sind ausgetreten, weil sie eine Welt- und sogar „Menschenfeindlichkeit“ der Kirche wahrnehmen und nicht mehr ertragen: den Ausschluss der Frauen von Weiheämtern und die damit verbundene offensichtliche Abwertung , den Zwangszölibat, das Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die „abgehobene Arroganz der Macht“ („wir da oben, ihr da unten“). Sie treten aus, weil sie nicht mehr an Veränderung glauben.
    Und noch vieles mehr. Es geht um die Kirche an sich und um die Kirche vor Ort.

    Tja, was hätte man diesen Menschen sagen sollen, damit sie der Kirche nicht den Rücken kehren? Vielleicht erst mal gar nichts sagen, sondern zuhören. Und dann zu ihnen sprechen vom Evangelium: mit Worten, die sie verstehen, in der Welt, in der sie leben.
    Und vielleicht durch ein aktives Gemeindeleben, an dem viele teilnehmen und wo nicht die Last auf immer weniger Schultern von Engagierten verteilt wird, die ihr kirchliches Engagement zwischen ihren vollen Terminkalender quetschen, bis auch diese müde sind, wo nicht nur ein paar wenige zum Kirchencafe bleiben, wo über Glauben geredet wird und über Jesus und die Probleme und Freuden des Alltags. Reformen, finde ich, gehen uns alle an.

    1. Lieber Michael,
      ich habe ähnliche Gespräche geführt mit Menschen, die ausgetreten sind, nicht weil ihnen der Glaube nichts bedeutet, sondern weil sie enttäuscht sind, weil sie nicht mehr an Wandel glauben. Ich glaube auch, dass zuhören hier unglaublich wichtig ist. Das Ernst-Nehmen und Nicht-Verurteilen, sondern auf Augenhöhe bleiben und erstmal miteinander aushalten.
      Es macht mich so traurig, dass diese Strukturen und Menschen in ihnen so viel Leid verursacht haben und nach wie vor zu viel Gutes verhindern.
      Viele Grüße
      Eva

  2. Ich bin froh und dankbar für diese Wortmeldung. Genau das ist es, was mich weiter engagiert sein lässt IN dieser Kirche. Veränderung geht bestimmt auch noch von innen. Austritt ist m.E. zwar ein Signal. Aber Signale werden manchmal auch bewußt übersehen und produzieren nur Crash.

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