Wort-Gottes-Feier in Wannweil

 

Wort-Gottes-Feier
16.10.2022, Wannweil – 29. So i.J.

In unregelmäßigen Abständen finden in unseren Kirchen Wort-Gottes-Feiern statt. Zumeist ist das der Fall, wenn unser Pfarrer im Urlaub ist, oder aus Termingründen keinen Gottesdienst abhalten kann. Das Besondere daran ist, dass diese Wort-Gottes-Feiern von dafür beauftragten Laien, also nicht geweihten Mitgliedern unserer Kirchengemeinde, abgehalten werden dürfen. Allerdings findet keine Wandlung statt.  Die Hostien werden von unserem Pfarrer vorab geweiht und von den Zelebrant*innen bei der Kommunionfeier an die Gläubigen verteilt.

Von Thomas Münch

Evangelium Lk 18, 1–8

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete
und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe,
die immer wieder zu ihm kam und sagte:
Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!
Und er wollte lange Zeit nicht.
Dann aber sagte er sich:
Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Der Herr aber sprach:
Hört, was der ungerechte Richter sagt!
Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
Ich sage euch:
Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.
Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt,
den Glauben auf der Erde finden?

Auslegung

Vielen wird die Situation aus dem Gleichnis vertraut sein: wer geduldig und still wartet, dass sein Anliegen bearbeitet wird, hat oft das Nachsehen gegenüber jemandem, der dem anderen damit einfach auf die Nerven geht. Das jedenfalls ist im Gleichnis der einzige Grund, warum der ungerechte Richter handelt. Moralisch bessere Begründungen für das Handeln des Richters werden ausdrücklich ausgeschlossen: Weder sein Glaube noch die Würde des Menschen lassen ihn handeln, sondern er will seine Ruhe haben.
Jesus will mit diesem seinen Jüngern sagen, „dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (V1)
Vergleicht Jesus den ungerechten Richter mit Gott? Und bedeutet Beten dann, dass man Gott so lange „nerven“ soll, bis man bekommt, was man will, worum man bittet?
Jesus zielt auf etwas anderes ab, wie im Anschluss an das Gleichnis klar wird: Wie sollte Gott seinen Auserwählten nicht zu ihrem Recht verhelfen, wenn schon ein ungerechter Richter dieser Witwe zu ihrem Recht verholfen hat.
Dass Gott für die Seinen sorgt, das steht nicht zur Disposition. Die Frage heißt auch nicht: Lohnt es sich zu beten? – Oder: bei welchem Einsatz bekomme ich wie viel?
Ein solcher Gedanke wäre Gottes unwürdig – und des Menschen ebenso. Damit wäre das Verhältnis des Menschen zu Gott auf einen einzigen Handel beschränkt; auf die Frage, was man sich alles einfallen lassen muss, um das zu bekommen, was man will.
Die Frage ist nicht: Welche religiösen Leistungen muss ich vollbringen, damit Gott mir das zukommen lässt, was ich will?
Jesus legt den Schwerpunkt anders: Wenn schon ein ungerechter Richter einer fast rechtlosen Frau ihr Recht zuspricht, glaubt ihr dann, dass ihr nicht von Gott das bekommt, was ihr braucht? So viel Vertrauen zu Gott dürft ihr haben. Die entscheidende Frage ist doch umgekehrt: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ (V8)
Viele Menschen denken besonders in den Situationen an Gott, wo sie selbst nicht mehr weiterkommen und hoffen, dass Gott das Unabänderliche noch irgendwie verändern würde. Das macht die Sache mit dem Bittgebet schwierig. Es kann sehr wohl Ausdruck des Vertrauens auf Gott sein, aber es kann auch in der Gefahr stehen, dass man damit Gott für seine eigenen Zwecke zum Handlanger einsetzt; oft genug mag es Egoismus sein, der damit zum Ausdruck kommt. Bei Geburtstagswünschen heißt es oft, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen sollten. Ich bin nicht sicher, ob das immer gut wäre für mich, wenn all meine Wünsche in Erfüllung gehen. Deshalb ist festzuhalten: Im Gleichnis ging es nicht um irgendwelche Wünsche, sondern um das Recht, das der Witwe zustand.
Als Glaubender weiß ich auch, dass nicht alle meine Wünsche erfüllt werden, und dass zum Bittgebet auch immer große Offenheit von mir verlangt ist. Vielleicht will Gott etwas ganz anderes von mir als ich von ihm. Es ist nicht die unwichtigste Bitte, wenn wir im Vaterunser beten: „Dein Wille geschehe.“
Das bedeutet nicht, dass ich nicht hartnäckig ein Anliegen vor Gott tragen darf – aber in aller Offenheit, und nicht nur mit dem Blickwinkel, ob alles so eintrifft, wie ich es mir wünsche.
Wenn ich offen bin für Gottes Antwort, dann mag sich ja auch bei mir etwas verändern.
Aber Beten heißt ja nicht nur Bitten. Es muss nicht einmal heißen, immer Worte zu machen. In der Bibel gehört das Beten ganz selbstverständlich zum Leben, so selbstverständlich, dass es ursprünglich kein eigenes Wort dafür gegeben hat. Beten heißt, sein Leben vor Gott bringen. Beten ist ein Rufen, Jubeln, Klagen, Bitten, Flehen, je nach der Situation des Menschen.
Vielleicht sind manche Menschen dieser biblischen Art des Betens sehr nahe, ohne es zu wissen. Wenn sie in eine missliche Lage kommen, fangen sie an, sich gegen Gott aufzulehnen; wenn sie Nachrichten hören oder sehen, fragen sie, wie Gott all das Leidvolle und Böse zulassen kann; und wenn sie glücklich sind, dann läuft ihnen das Herz über.
Und um diese Art des Betens geht es wohl, wenn Jesus seine Jünger anhält, allezeit zu beten: es geht um die innere Haltung des Menschen: nicht nur ein paar Texte, ein paar Minuten oder eine Stunde am Sonntag für Gott zu reservieren, sondern sein Leben vor Gott zu bringen. Das ganze Leben, nicht nur bestimmte Situationen oder Anliegen. All meine Freude, aber auch alles, was mich bedrängt und sprachlos macht.
So zu beten heißt allerdings nicht, die Hände in den Schoß zu legen oder sich unbedingt in Bescheidenheit einzuüben. Unsere kleine Alltagswelt und die große Welt sind noch längst nicht so, wie sie sein könnten oder sollten. Da ist noch einiges zu tun im Hinblick auf Gerechtigkeit, auf Frieden, auf guten Umgang mit der Schöpfung.
Im konkreten Fall kann das dann wie im Gleichnis schon auch bedeuten, einem Zeitgenossen gehörig auf den Wecker zu gehen.
Denn das Reich Gottes verlangt noch manchen Einsatz.

Amen

Nach einem Gottesdienst-Entwurf von Gerhard Jammer
Ausgelegt von Thomas Münch

Ein Gedanke zu „Wort-Gottes-Feier in Wannweil

  1. Lieber Thomas,
    ganz herzlichen Dank für diese Wort-Gottes-Feier. Sie hat mich sehr berührt, die Predigt ganz besonders. Und dann der reiche Liedersegen … das war für mich wirklich eine Feier. Schön wenn man für das Singen Zeit hat. Im Gotteslob ist da ja ein unglaublicher Fundus.
    Schade, dass wir insgesamt relativ Wenige waren. Hängt das mit einer, meiner Meinung nach überkommenen, Einstellung zusammen, dass Wortgottesdienste „weniger wert“ seien, als Gottesdienste mit Eucharistiefeier?

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