Zunehmende Armut im Alter – auch in Baden-Württemberg

Die Bundesregierung legt laut Beschluss des Deutschen Bundestages sowie des Bundesrats einmal in jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern vor. Das ist ein großes Werk und umfasst in der aktuellen Fassung 196 Seiten. Das Kabinett hat am 21.6.2017 diesen Zweiten Gleichstellungsbericht beschlossen. Wir nehmen das zum Anlass noch mal auf das „Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg“ hinzuweisen. Die Gleichstellungsproblematik hat nämlich direkte Auswirkungen auf den Berufsweg und vor allen Dingen auf das Einkommen im Alter.

von Rainer Degen

Der Diözesanrat der Diözese hat das Thema auch noch mal in seiner turnusmäßigen Sitzung im Kloster Schöntal am 12. und 13.5.2017 aufgegriffen. In Baden-Württemberg  hat eine massive Zunahme von Altersarmut begonnen. Ältere Menschen haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko, auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Der Diözesanrat engagiert sich deshalb gemeinsam mit 30 anderen Akteuren im Land – darunter auch die Betriebsseelsorge, der Caritasverband und die Katholische Arbeitnehmerbewegung – in einem „Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg“ für eine Weiterentwicklung der solidarischen Alterssicherung und für tragfähige, gerechte Rentenmodelle, die Erwerbstätigkeit angemessen würdigen. „Wenn es nicht gelingt, hier massiv gegenzusteuern, steht der soziale Frieden auf dem Spiel“, warnte
Andrea Tanneberger, Vorsitzende des Diözesanausschusses Soziale Gerechtigkeit.

Wenn man etwas genauer hinschaut, stellt man fest, dass es diverse Ursachen gibt, die zu großen Unterschieden in der Alterssicherung führen. Eine davon und immer wieder Anlass zu Diskussionen ist die Diskrepanz zwischen Pensionen und Renten. Fest steht, dass es bei den Pensionen (Ruhegehälter der Beamten) so gut wie keine Altersarmut gibt. Bei den Renten, also bei den Ruhebezügen von Arbeitnehmern, sieht das ganz anders aus. Vor allem allein lebende, ältere Frauen verfügen über zu wenig Geld. Insofern ist es richtig und wichtig, dass sich 31 Organisationen am 3.4.2017 in Stuttgart zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen Altersarmut zusammengefunden haben, um noch vor der Bundestagswahl für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik einzutreten. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart unter Federführung durch den Diözesanrat hat sich ebenfalls angeschlossen. Dazu sind mehrere Veranstaltungen geplant. Wir hatten ja im Mai auch einen Vortrag im Programm zum Thema Altersarmut, organisiert von der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung).

Bild: NordhornerII / C-by-sa 3.0 / Quelle: Wikimedia Commons In: Pfarrbriefservice.de

Hier Passagen aus der Erklärung des „Bündnis gegen Altersarmut Baden-Württemberg“

31 Organisationen, Verbände und Gewerkschaften aus Baden-Württemberg haben sich am 3. April in Stuttgart zum „Bündnis gegen Altersarmut Baden-Württemberg“ zusammengeschlossen, um noch vor der Bundestagswahl für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik einzutreten – u. a. mit mehr als 50 Veranstaltungen noch vor den Sommerferien. Die Bündnispartner eint die Sorge, dass in weniger als 15 Jahren Millionen Rentner/innen auf Sozialhilfe angewiesen sein werden, wenn nicht heute gegengesteuert wird. Sie fordern deshalb im Kern, dass die staatliche Rente auch in Zukunft einen Lebensunterhalt gewährleisten muss.

Der Diözesanausschuss „Soziale Gerechtigkeit“ arbeitet schon länger am Thema Altersarmut … (und es) werden die 120 Delegierten beraten, wie die katholische Kirche in Württemberg sich politisch für gerechte Rentenmodelle, angemessene Löhne und bessere Arbeitsbedingungen vor allem für Frauen und Alleinerziehende einsetzen und was sie für ältere Menschen mit knapper Kasse tun kann.

Dass akuter Handlungsbedarf besteht, macht ver.di Landesbezirksleiter Martin Gross deutlich: „Wir hatten die Initiative für dieses Bündnis ergriffen, weil wir schon seit Jahren wissen: Insbesondere bei den unterdurchschnittlich bezahlten Berufen im Dienstleistungsbereich, das betrifft zig Millionen Menschen in Deutschland, tickt eine soziale Zeitbombe. Wer den Mindestlohn erhält, muss 58,7 Jahre Vollzeit arbeiten, um im Alter mehr als Grundsicherung zu erhalten. Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.“

Manuela Rukavina, Vorsitzende des Landesfrauenrates, macht darauf aufmerksam, dass besonders Frauen altersarmutgefährdet sind: „In Baden-Württemberg verdienen Frauen durchschnittlich 26 Prozent weniger als Männer, mit gravierenden Folgen für ihre Rente. Der alte Spruch ‚Frauen leben länger – aber wovon?‘ wird immer aktueller. Wir als Gesellschaft und die Politik bauen in weiten Teilen darauf, dass Frauen ihre Erwerbsbiographien am Wohle anderer ausrichten, bezahlen sie dafür schlechter und am Ende ihres Lebens stehen diese Frauen zum Dank dafür mit Minirenten da.“ Dieses Problem verschärft sich, wenn Frauen alleinerziehend sind, weiß Brigitte Rösiger vom Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV): „Alleinerziehende arbeiten praktisch ohne Aussicht auf Rente, sie steuern auf Altersarmut zu!“

Wir werden die weiteren Entwicklungen und auch die Veranstaltungen beobachten und hier berichten.

2 Gedanken zu „Zunehmende Armut im Alter – auch in Baden-Württemberg

  1. Danke für das Aufgreifen dieses Themas. Es muss informiert werden und Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich hier unser “System“ in eine ganz falsche Richtung entwickelt. In der Wirtschaftspolitik geht es zu sehr um Gewinnmaximierung – was in meinen Augen ein schönfärberischer Ausdruck für das alte Wort Gier ist – und zu wenig um das Wohl der Gesellschaft. Schon vor Jahrzehnten wurde in der Soziallehre der katholischen Kirche gefordert, dass die Wirtschaft für den Menschen und nicht die Menschen für die Wirtschaft da sein müssen.
    Sonst wird es unmenschlich. Einerseits bei den Arbeitsbedingungen, was wir im Zuge der Globalisierung vor allem in so genannten Billiglohnländern sehen, andererseits bei der Bezahlung im “Niedriglohnsektor“ und der Art der Arbeitsverträge ( Minijobs, Zeitverträge, Leiharbeit) hierzulande.
    Und die Spätfolge ist dann die Altersarmut.
    Wo bleibt da die Würde und Wertschätzung, wo die Solidarität, wenn die Einkommensschere immer weiter auseinander klafft?
    Was ist unserer Gesellschaft/Politik nicht so direkt und kurzfristig Messbares wie Dienst am Menschen in Kindergärten, Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern und Altersheimen wert?
    Wie verhält sich die Kirche hier als Arbeitgeber?!
    Was sagen wir als Christen dazu?
    In unserer Gemeinde gibt es eine KAB- Gruppe, die sich mit solchen Themen befasst und sich über Interessierte und Engagierte sehr freuen würde, um noch aktiver für solche Dinge eintreten zu können.

  2. Wenn man nicht aufpasst, hat man im Alter in Deutschland bald einen Zustand wie in den USA. Ich sehe hier jeden Tag Menschen jenseits des 70. Lebensjahres, die voll arbeiten müssen, weil es hier deutlich weniger Sozialleistungen gibt, als bei uns. Es ist jedoch umso schlimmer, wenn man ein Rentensystem hat, in das man immer eingezahlt hat, aber am Ende nicht davon leben kann.

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