#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst

„Wir sind’s! Es wurde viel über uns gesprochen. Nun sprechen wir selbst.“ So starten die über 120 hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Katholischen Kirche, die sich am Montag, 24. Januar 2022 zu ihrem Queer-Sein bekannt haben, ihr Manifest. Mit ihrem Outing ging eine Welle der Solidaritätsbekundungen durch die (Sozialen) Medien und die Diözesen waren gezwungen zu reagieren.

von Eva Schlegel

Von 27 deutschen Diözesen haben bis heute nur 16 offiziell auf ihren Internetseiten Stellung zu der Initiative und der Doku „Wie Gott uns schuf“ genommen. Nur zwei Bischöfe haben der Initiative auf ihre Mail mit dem Manifest geantwortet. Keine Leitung einer Diözese, weder Bischof noch Generalvikar, haben ihren Mitarbeitenden Schutz bei Eheschließungen mit einer gleichgeschlechtlichen Person zugesichert. (Quelle: Instagramaccount #OutInChurch, abgerufen 01.02.2022)

Demgegenüber stehen unzählige Likes, Reposts auf Social Media, Tweets, persönliche Nachrichten und über 86 000 Unterschriften der Petition „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst“ auf www.change.org

Aus der Doku "Wie Gott uns schuf", ARD-Mediathek

Wer ist #OutInChurch?

Die Initiative besteht aus hauptamtlichen, ehrenamtlichen, potentiellen und ehemaligen Mitarbeiter*innen der römisch-katholischen Kirche. Sie identifizieren sich unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*, inter, queer und non-binär. (zu den Begrifflichkeiten finden Sie hier eine Erklärung)

Auch aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind einige Menschen dabei, die sich geoutet haben: Priester, Pastorales Personal, Studierende und ehrenamtlich Aktive. Manche anonym, weil sie Sorge haben, dass ihnen ihr Outing den Job kostet, manche ganz offen, wie Stefan Spitznagel, Pfarrer in Marbach am Neckar. Sein Antrieb dabei zu sein: „Die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten macht unsere Kirche reich. Sie wertzuschätzen ist für mich im Sinne Jesu.“ (Quelle: https://outinchurch.de/das-sind-wir)

Zwei junge Männer aus Tübingen und Rottenburg berichteten im Schwäbischen Tagblatt über ihre Gründe bei der Aktion #OutInChurch mitzumachen und was sie sich wünschen. Hier nachzulesen mit Abo.

Was fordert #OutInChurch von der Römisch-Katholischen Kirche?

  1. Wir wollen als LGBTIQ+ Personen in der Kirche ohne Angst offen leben und arbeiten können.
  2. LGBTIQ+ Personen müssen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern in der Kirche erhalten.
  3. Das kirchliche Arbeitsrecht muss geändert werden. Ein offenes Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität, auch in einer Partnerschaft beziehungsweise Zivilehe, darf niemals als Loyalitätsverstoß oder Kündigungsgrund gewertet werden.
  4. Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden. Dies ist besonders in Anbetracht weltweiter kirchlicher Verantwortung für die Menschenrechte von LGBTIQ+ Personen von höchster Relevanz.
  5. Die Kirche darf LGBTIQ+ Personen bzw. -Paaren den Segen Gottes sowie den Zugang zu den Sakramenten nicht vorenthalten.
  6. Eine Kirche, die sich auf Jesus und seine Botschaft beruft, muss jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegentreten und eine Kultur der Diversität fördern.
  7. Im Umgang mit LGBTIQ+ Personen hat die Kirche im Laufe ihrer Geschichte viel Leid verursacht. Wir erwarten, dass die Bischöfe dafür im Namen der Kirche Verantwortung übernehmen, die institutionelle Schuldgeschichte aufarbeiten und sich für die von uns geforderten Veränderungen einsetzen.

Wie reagiert die Diözese Rottenburg-Stuttgart?

Bereits einen Tag nach der Ausstrahlung der Doku in der ARD meldet sich Generalvikar Clemens Stroppel auf der Homepage und den Sozialen Kanälen der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu Wort. „Tief berührt von dem Mut der Interviewten“, sei er und „Ihnen gilt mein und der Diözesanleitung Respekt.“ Für die Mitarbeitenden der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat er hoffnungsvolle Worte: „Die Diözese erwägt keine Konsequenzen für deren Beschäftigungsverhältnisse.“

Doch ist dieses Versprechen haltbar, solange in einer Verlautbarung des Apostolischen Stuhls von 2017 steht: „Personen, […] die Homosexualität praktizieren, tief-sitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte ,homosexuelle Kulturʻ unterstützen. Die genannten Personen befinden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen.“? (Quelle: Kongregation für den Klerus: Das Geschenk der Berufung zum Priestertum Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis, Nr. 199)

Wir hoffen es!

Theologe Eckhard Raabe formuliert, was jetzt dran ist in „Kurz mal nachgedacht“ so: „Die Kirchliche Lehre muss weiterentwickelt und das Arbeitsrecht angepasst werden.“

Der Synodale Weg nimmt Themen auf

Wir können gespannt sein, was sich hier in der Deutschen Katholischen Kirche tut. Eins ist sicher: Den Delegierten des Synodalen Wegs gehen die Themen nicht aus, wenn sie sich vom 03. bis 05. Februar in Frankfurt treffen. Wir werden berichten, ob und was in der Synodalversammlung besprochen und beschlossen wird.

Ein Gedanke zu „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst

  1. Liebe Eva,
    danke für diesen informativen Artikel. Er hat einen Eindruck vermittelt, wie menschenverachtend in unserer Kirche mit Betroffenen umgegangen wird und wurde. Es hat eine Kultur der Angst genährt, die für viele Menschen traumatisch ist und war. Wie gut dass einige von ihnen den Mut hatten, sich zu outen. Nun kommt es sehr darauf an, wie unsere Kirche und vor allem unsere Bischöfe damit umgehen werden.
    Mir kommt es zur Zeit so vor, dass die Kirche gerade an dem Punkt angelangt ist, wie die ehemalige DDR, kurz vor dem Mauerfall. Es müsste allen Beteiligten klar sein, dass es ein weiter so nicht mehr geben kann. Die Folgen wären verheerend. Wollen wir hoffen, dass jetzt endlich auch die reformverweigernden Bischöfe aufwachen und den Synodalen Weg wohlwollend begleiten.

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