Das Wort zum Sonntag von Eva Schlegel

Der goldene Herbst?!

„Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da. Er bringt uns Wind hei hussassa…“ singt mein Kita-Kind gerade inbrünstig, wenn es nach Hause kommt. Ja, der Herbst ist da. Was wird er uns wohl bringen? Mein Kind freut sich auf Erntedank, aufs Drachensteigen, Kastaniensammeln und darauf die Äpfel direkt vom Baum zu essen. Und ich? Ich sorge mich angesichts der Weltlage. Was wird das Virus im Herbst machen und wie sehen die Maßnahmen dazu aus? Wohin steigen die Energiepreise und welche Folgen hat diese Preissteigerung besonders für Menschen, die sowieso schon jeden Cent umdrehen müssen? Wie entwickelt sich der Krieg? Welche weiteren Herausforderungen wird es im Herbst für die Gesellschaft geben, wenn es abends wieder früher dunkel wird und wir nicht mehr von der Sonne zehren können?

Sorgen, die mich manches Mal zu erdrücken drohen. Dann denke ich an das Kinderbuch „Frederick“ von Leo Lionni. Darin geht es um die Maus Frederick, die im Gegensatz zu ihren Familienmitgliedern keine klassischen Vorräte für den Winter sammelt, sondern Sonnenstrahlen, Farben und Wörter. Und tatsächlich werden Fredericks Vorräte genauso gebraucht, wie das Korn. Er lässt die anderen Mäuse die Sonnenstrahlen und Farben und Wörter spüren, sehen und hören. Das tut gut.

Ich wünsche mir, dass ich auch so sein kann wie Frederick. Zum einen die schönen Erlebnisse aus dem Sommer in meinem Herzen zu bewahren und davon zu zehren, wenn es in mir dunkel ist. Und zum anderen, meine Mitmenschen daran teilhaben zu lassen und ihre Dunkelheit heller und bunter machen zu können.

Jesu Worte sind für mich auch immer wieder eine Kraftquelle im Dunkeln. Seine Worte, die berühren. Damals seine Zuhörerschaft und auch mich heute noch. Besonders berühren mich die Geschichten über ihn, in denen er mit seinen Worten so begeistern kann, dass Menschen, Trost, Hoffnung und Zuversicht empfinden: Der blinde Bartimäus, die Jünger Jesu, der Verbrecher am Kreuz, Maria und Martha, Simeon und Hanna. Es gibt noch viele weitere, die sich von Jesus berühren lassen und durch seine Worte dunkle Zeiten durchstehen können, auch in unserer Gegenwart.

So wünsche ich uns: Sammeln wir Sonnenstrahlen, Farben und Wörter und lassen wir einander daran teilhaben, damit dieser Herbst zu einem „goldenen Herbst“ werden kann.

Eva Schlegel, Gemeindereferntin Seelsorgeeinheit Echaz-Härten, Kirchentellinsfurt, Kusterdingen, Wannweil

Das Wort zum Sonntag veröffentlicht am 17.9.2022 im Schwäbischen Tagblatt Tübingen

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