»Aus der Tiefe rufe ich zu dir« (GL 283)
– das „andere Lied“ zur Fastenzeit greift die ersten Verse des Psalms 130 auf:
Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir
Herr, höre meine Stimme!
Wende dein Ohr mir zu,
achte auf mein lautes Flehen!
Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten,
Herr, wer könnte bestehen?
Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele,
ich warte voll Vertrauen auf sein Wort.
von Thomas Münch

Psalm 130, der sechste von insgesamt sieben Bußpsalmen, ist Teil der Vesper zur österlichen Bußzeit (GL 637-640). Sein Thema: Die eindringliche Bitte eines Menschen in tiefer Not, die getragen ist von der festen Hoffnung, dass bei Gott die Erlösung ist.
Der Text des Liedes stammt von Uwe Seidel, einem evangelischen Pfarrer und Schriftsteller aus Nordrhein-Westfalen. Seidel entwickelte neue Liturgieformen und initiierte in den 1980er Jahren die ökumenisch ausgerichteten Beatmessen, wo u.a. der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch und Dietmar Schönherr regelmäßig zu Gast waren.

Die vier Strophen bestehen jeweils aus zwei kurzen Textzeilen, die wiederum wie ein Wechselgesang anmuten: Jede Zeile wird eingeleitet – einem Kehrvers gleich – mit „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir“, dem dann eine Aussage nach Psalm 130 folgt:
– Herr, höre meine Klagen
– Herr, höre meinen Fragen
– Herr, öffne meine Ohren
– ich bin hier ganz verloren
– Herr, achte auf mein Flehen
– ich will nicht untergehen
– nur dir will ich vertrauen,
– auf dein Wort will ich bauen
Die Melodie ist – passend zum Text –
in melancholischem Moll gehalten. Entsprechend der Textwiederholungen beginnt die ersten Phase eines Zeile immer gleich,
die Psalm-Aussagen in der Fortführung sind nur leicht variiert,
im zweiten Teil mit einer kleinen Finesse durch den etwas verzögerten, außerhalb des Taktschlags liegenden Schlusston.
Durch diese immer ähnlich geführte Melodie entsteht ein beinah meditativer Kreislauf aus Klagegesang und Hoffnungslied.