Missbrauch: Katholische Kirche klärt auf und sieht Prävention als Schlüssel

Prolog: Die Evangelische Kirchengemeinde Kusterdingen und Jettenburg fragte jüngst an, ob wir einen Artikel zum Thema Missbrauch und Aufklärung in der Katholischen Kirche für deren Osterbrief schreiben könnten. Wir haben sodann zugesagt. Das Thema ist ja nach wie vor aktuell. Auch auf dem Katholikentag vom 25.-29.5.2022 in Stuttgart war Missbrauch eins der ganz großen Themen.

Geschrieben haben den Beitrag Johanna Rebholz und Rainer Degen.

Sexueller Missbrauch: Katholische Kirche arbeitet an Aufklärung

Nun ist es amtlich. Ein katholischer Geistlicher aus NRW missbrauchte über 40 Jahre lang Kinder und Jugendliche. Nun verurteilte das Landgericht Köln den 70-jährigen Pfarrer Hans Ue. wegen Taten in insgesamt 110 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren.
Die Katholische Kirche müht sich seit nunmehr 10 Jahren durch den Missbrauchssumpf. Die Ergebnisse der Studien sind schmerzhaft, fördern nicht gerade das Image der Kirche, führen zu Kirchenaustritten. Trotzdem ist dieser Weg richtig.
Im Rahmen einer großen deutschlandweiten Studie, der sogenannten MHG Studie, wurden seit 2011 Personal- und Handakten von 38.156 Klerikern der 27 Diözesen aus den Jahren 1946 bis 2014 gesichtet. Dabei fanden sich bei 1.670 Klerikern Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. 3.677 Kinder und Jugendliche konnten als von sexuellem Missbrauch betroffen zugeordnet werden. 

Beitrag zum Osterbrief der Evangelischen Kirchengemeinde Kusterdingen und Jettenburg

Bischof Gebhard Fürst: „Kein uns bekannter Fall wird vertuscht oder verschleppt“

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat als erste Diözese alle bekannten Fälle zurück bis ins Jahr 1946 aufgearbeitet. Dies auf der Basis einer unabhängigen Vorgehensweise.
Und Bischof Fürst lässt keine Zweifel aufkommen, wenn er sagt: „Ich kann und möchte Ihnen versichern, dass in der Diözese Rottenburg-Stuttgart kein uns bekannter Fall vertuscht oder verschleppt wird.“ Verdachtsfälle melde man der Staatsanwaltschaft. Alle Täter seien entsprechend ihrer Taten nach geltendem Recht verurteilt worden. Mit jedem oder jeder Betroffenen führe er auf Wunsch ein persönliches Gespräch.
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es seit 2002 die von Bischof Fürst eingerichtete unabhängige Kommission sexueller Missbrauch (KsM), die stets von einer unabhängigen externen Person der Öffentlichkeit geleitet wird. Derzeit nimmt diese Aufgabe die ehemalige Sozialministerin des Landes, Dr. Monika Stolz, wahr.
Weitere Info über konkrete Hilfe: https://www.drs.de/rat-und-hilfe/hilfe-bei-missbrauch-praevention.html

Missbrauchsdebatte geht nicht spurlos an der Kirchengemeinde vor Ort vorbei

In der Kirchengemeinde gibt es einerseits Frust über den Umgang der Kirchenleitung mit den Missbrauchsfällen und auch die extrem negative Berichterstattung hierüber in den verschiedensten Medien. Geli Schmitt, Sekretärin im Pfarramt, sieht das ganz pragmatisch, wenn sie sagt: „Ich sehe meine Kirchengemeinde als eine Art ‚große Familie‘ an. Man kann das straffällige Familienmitglied ausschließen und bestrafen, aber nicht die Familie verlassen.“
Natürlich fällt das negative Image der Kirche weltweit bzw. der Institution Kirche auch auf uns vor Ort zurück. So betont Tanja Kury-Rilling, Stellvertretende Vorsitzende im Kirchengemeinderat: „Schon jetzt schwindet der Einfluss der Kirchen in der Gesellschaft einerseits schon faktisch durch die abnehmende Zahl von aktiven Christen und andererseits natürlich auf Grund des Missbrauchsskandals und anderer Missstände, die die Glaubwürdigkeit der Kirche als moralische Instanz zumindest teilweise untergraben.“

Prävention ist der Schlüssel

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat 2015 eine Präventionsordnung erstellt. Sie formuliert als oberstes Ziel: „Im Geiste des Evangeliums will die katholische Kirche allen Menschen einen sicheren Lern- und Lebensraum bieten. Die Prävention vor sexuellem Missbrauch ist integraler Bestandteil der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie erwachsenen Schutzbefohlenen.“
Doch auch in den Jahren zuvor hatte es schon bei den Verbänden des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) in den Gruppenleiterschulungen standardmäßig eine „Kindeswohl-Einheit“ gegeben. Seither enthält diese auch die Unterzeichnung einer „Ehrenerklärung“, in der sich die Teilnehmenden dem Wohl der Kinder verpflichten. Durch das ehemalige Bischöfliche Gesetz zum Schutz vor Kindeswohlgefährdung von 2011 wurde die regelmäßige Einsicht in das erweiterte Führungszeugnis von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in der Diözese etabliert.
Die Diözese entwickelt diese Maßnahmen regelmäßig weiter. Bis Ende 2023 werden die über 1000 haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden verpflichtend über sexuellen Missbrauch und Präventionsmöglichkeiten fortgebildet.
Auch die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Gemeinde Christus König des Friedens sind durch diese diözesanen Fortbildungen geschult und sensibilisiert worden.

Der Anfang ist gemacht

Ohne eine adäquate Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs wird sich der Niedergang der Kirchen eher beschleunigen. Die Kirchen müssen sich zu ihrer Vergangenheit bekennen und Vergehen und Missbrauch mit aller Energie und Klarheit rasch aufklären (wollen). Die Opfer müssen Gerechtigkeit erfahren und wie beschlossen rasch entschädigt werden. Siehe dazu auch die Betroffenen-Imitative Süddeutschlands: https://www.betroffeneninitiative-sueddeutschland.de/.
Nur so kann das verlorene Vertrauen wieder zurückgewonnen werden. Das Gute: Der Anfang ist gemacht. Die katholische Kirche hat inzwischen eine Vorreiterrolle in der Aufarbeitung.

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