Rückschau – Ökumene am Pfingstmontag unter dem Motto: Viele Sprachen – ein Geist

Am 21. Mai 2018, dem Pfingstmontag, trafen sich Christen aus der Region, um gemeinsam das Fest des Heiligen Geistes zu feiern. Das Motto: Viele Sprachen – ein Geist. Dazu luden ein: die landeskirchlichen evangelischen, methodistischen und katholischen Kirchengemeinden von Kirchentellinsfurt, Immenhausen, Jettenburg, Kusterdingen, Mähringen, Pfrondorf, Wankheim und Wannweil.
Die Predigt hielt die „neue“ Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde von Kirchentellinsfurt Frau Cordula Modrack. Diese Predigt kam so gut an, dass wir uns entschlossen haben – auch im Sinne von nachhaltiger Ökumene – diese Predigt für Sie noch mal zum Nachlesen hier zu bringen.

Die Predigt von Frau Pfarrerin Cordula Modrack

Sprache und Geist. An diesem Buchtitel blieb mein Blick hängen.
Könnte ja was mit Pfingsten zu tun haben.
Sprache und Geist – so wie wir es in der Lesung gehört haben.
Sprache und Geist – es stellt sich heraus, dass das Buch zunächst wenig mit Pfingsten zu tun hat.
Es sind Vorlesungen von Noam Chomsky, dem weltweit einflussreichsten Sprachwissenschaftler der letzten Jahrzehnte, wie ich bei der Gelegenheit lerne.
Chomsky staunt – wie manche von uns vermutlich auch – er staunt darüber, wie Kinder ihre Sprache lernen.
Mit Leichtigkeit scheinen sie im Kleinkindalter täglich neue Wörter zu sprechen, bilden ihre ersten Sätze, sprechen bald fließend – wenn es sein muss in verschiedenen Sprachen.
Ganz ohne Vokabeln zu pauken und Regeln zu lernen plappern sie einfach drauf los.
So ähnlich, stelle ich mir vor, war es damals, in Galilä (Pfingstwunder nach Apg 2).
Die Menschen dort werden erfüllt vom Geist.
Und plötzlich fangen alle an zu sprechen.
Da reden sie, alle durcheinander, ohne sich an die gesellschaftlichen Regeln zu halten.
Jeder auf seiner Sprache, jede wie ihr der Schnabel gewachsen ist.
Die Worte strömen nur so aus ihnen heraus.

Lange waren sich Sprachwissenschaftler einig:
Kinder imitieren die Sätze der Menschen um sie herum, so lernen sie die Sprache.
Sie plappern einfach das nach, was die Anderen so sagen. Machen es nach.
Chomsky sieht das etwas anders, er sagt: Kinder plappern nicht einfach nach, wiederholen nicht nur, wenn sie zu sprechen anfangen.
Chomsky vermutet, dass die Sprache genetisch schon angelegt ist und von Anfang an im Kind – in seinem Geist – da ist.
Urgrammatik nennt er das.
Das Kind lernt nur, eine bestimmte Sprache zu entfalten, seine Sprache mit Wörtern zu füllen. Kurzum: Kinder plappern nicht nach, sondern sie erzählen von sich.
Sie bilden eigene Sätze, wiederholen nicht die Sätze von anderen.
Sie sagen die Worte, die ihnen wichtig sind – eben in der Sprache, die sie umgibt.

Frau Pfarrerin Cordula Modrack
Frau Pfarrerin Cordula Modrack

Auch das erinnert mich an die Szene aus Galiläa.
Die Menschen hier tragen ihr Herz auf der Zunge.
Sie erzählen von sich, ganz persönlich.
Ja, da steht sogar: sie predigen.
Sie erzählen von den großen Taten Gottes, die sie erlebt haben.
Persönlicher geht es wohl nicht.
Alle sagen sie da frei heraus, was sie bewegt.

Der eine mag davon erzählen, wie stolz er gerade ist – er hat echt was erreicht.
Die andere kann unter Tränen endlich aussprechen, was sie so verletzt.
Einen vor Glück tanzenden Körper sieht man – auch der Körper hat ja eine Sprache.
Und einen in der Ecke Zusammengekauerten, voller Sorge.
Ein verliebtes Pärchen, das sich innig umarmt und streichelt.
Jemand, der eine großartige Idee hat und begeistert von ihr erzählt.
Eine, die einfach nur müde ist und inbrünstig gähnt.
Einen, der seinem Ärger freien Lauf lässt.
Eine, die jubelt vor Erleichterung und Freude.
Was würden Sie hier sagen?
Welches wäre Ihr Satz, wie würde Ihr Körper sprechen?
Welchen Ton würde Ihre Stimme anschlagen?

Pfingstmontag auf dem Einsiedel: Der Geist durchweht die Welt

Das Herz auf der Zunge, diese Sprache wird hier in Galiläa am ersten Pfingsten gesprochen.
Eine Sprache, die Kinder im Lauf ihrer Kindheitsjahre wieder verlernen.
Eine Sprache, die für uns Erwachsene oft eine echte Fremdsprache ist.
Es ist ein echtes Pfingstwunder, das hier passiert.
Die Menschen sprechen einfach aus, was sie bewegt – ohne sich zu schämen, ohne zu überlegen, wie die anderen das nun finden, ohne überhaupt zu überlegen, wer das hört, und ob das jemand versteht.
Klar, auch hier gibt es Leute, die jetzt die Nase rümpfen.
Hörst du die da drüben?
Was haben die denn eingeworfen?
Wer will das denn wissen, was die alles von sich geben!?

Aber es gibt auch andere Begegnungen – und das ist das zweite Wunder in der Geschichte.
Das eine Wunder ist, dass Menschen sich überhaupt öffnen.
Das andere Wunder ist, dass Menschen ihnen zuhören.
Wir hören sie in unseren Sprachen, so steht es da.
Obwohl es so persönlich ist, obwohl jeder seine ganz eigene Sprache spricht.
Obwohl sie von etwas erzählen, das nur sie so erlebt haben – da sind welche, die zuhören.
Aufmerksam zuhören, als wäre es die eigene Sprache.

Da sind welche, die nicht besänftigen wollen,
die nicht gekommen sind um zu helfen und Tipps zu geben,
ja die nicht einmal unbedingt verstehen wollen.
Sondern einfach nur zuhören.
Und damit so viel verstehen.
Und beide Seiten sind davon erfüllt.
Die, die sich öffnen, die sprechen,
und die, die da sind und zuhören.
Da wirkt der Geist Gottes. So wirkt der Geist Gottes.

Ich möchte glauben, dass diese Wunder sich auch heute ereignen.
Auf zwischenmenschlicher Ebene.
In unseren Kirchen und zwischen Religionen.
Und auf politischem Parkett.

Viele Sprachen, ein Geist.
Amen.

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