Vom ausgesetzten Baby zum international anerkannten Künstler

Der Flötist Hans Jürgen Hufeisen zu Gast in „Menschen und Themen“

Eingeladen hatte das katholische Bildungswerk Reutlingen in seiner Reihe „Menschen und Themen“, in der regelmäßig bekannte Personen zu Wort kommen und befragt werden können. Von Beginn an war die Stimmung im Spitalhof-Saal gespannt. Die Fragen, die das Ehepaar Bosold vorbereitet hatte, gingen sehr in den persönlichen Bereich des Künstlers.

von Gerlinde Münch

© www.hufeisen.com Fotograf: Stefan Neubig

seine Kindheit

Zunächst wurde er über seine Kindheit befragt. Mit abgehackten Sätzen berichtete er über seine Geburt und die Zeit im Kinderheim. Geboren wurde er im Winter 1954 in einem kleinen unbeheizten Hotelzimmer am Niederrhein. Die Mutter ließ das Neugeborene allein zurück, das vom Wirt des Hotels gefunden und den Behörden übergeben wurde. So begann seine Zeit im Kinderheim, in dem er aufwuchs bis er erwachsen wurde. Vieles über seine frühkindliche Zeit erfuhr er erst durch die Recherchen von Uwe Birnstein, der ein Portrait über Hufeisen schrieb, dessen Titel lautet: „Das unglaubliche Leben des Flötenspielers Hans-Jürgen Hufeisen“

© www.hufeisen.com Fotograf: Stefan Neubig

Die Zeit im Kinderheim

Nach intensiver Suche und Recherche führt Birnstein nach 25 Jahren Mutter und Sohn zusammen. Es war ein ernüchterndes Treffen, erzählt Hufeisen. Er empfand nichts für diese Frau und traf sie danach nur noch sechs Mal. Seine wirklichen Mütter waren die Frauen im Kinderheim, die ihn begleiteten und versorgten und Bezugspersonen für ihn waren, obwohl die damalige Erziehung sehr streng war und schwarze Pädagogik keine Seltenheit bildete. Eine dieser Frauen, Olga, schenkte ihm auch seine erste Flöte. Viel lieber wäre ihm eine Trompete gewesen, aber Olga ermutigte ihn zum Spielen und mit der Zeit wurde die Blockflöte ein Teil von ihm. Er konnte damit seine Gefühle zum Ausdruck bringen und ahmte Wind und Vogelstimmen nach, was er auch dem Publikum im Spitalhof vorführte.

sein musikalischer Werdegang

Mit 6 Jahren kam er in die Hilfsschule, da er als lernbehindert eingestuft wurde. Seine Klassenlehrerin bemerkte bald seine Intelligenz und empfahl ihn für die damalige Volksschule. Mit 16 Jahren durfte er mit Sondergenehmigung des Regierungspräsidenten ohne Abitur auf die Folkwang-Musikhochschule in Essen. Da Flöte zu der Zeit nicht als eigenständiges Hauptfach anerkannt war, studierte er zunächst Horn. Er ist der Meinung, dass Begabung nur einen kleinen Teil des Erfolgs ausmache. Kunst müsse hart erarbeitet werden.
13 Jahre lebte er in Stuttgart, wo er ab 1977 im Dienst der Ev. Landeskirche Württemberg für kulturelle Jugendbildung zuständig war. Sein großes Ziel war aber immer, Solist mit seiner Flötenmusik und seinen selbst komponierten Stücken  zu werden.
Heute ist er ein international anerkannter Flötist, der mit seinen spirituellen und meditativen Stücken die Herzen bewegt. Die musikalische Vielfalt seiner Holzinstrumente schafft magische Momente. Hufeisens Musik, vielfach inspiriert von uralten Melodien und doch zeitgenössisch im besten Wortsinn, ist ein Geschenk für die Zuhörerinnen und Zuhörer, was auch im Verkauf von 4 Mio seiner CDs zum Ausdruck kommt.

seine Mitwirkung bei den evangelischen Kirchentagen

Zum ersten Mal begegnete ich dem Virtuosen auf der Flöte vor mehr als 20 Jahren auf dem Kirchentag in Hamburg. Ich werde nie vergessen, wie hypnotisiert ich von den Tönen seiner Flöten war. Die größten Hallen waren im Nu überfüllt, wenn er auftrat und man musste 2 Stunden vorher zu seinen Konzerten da sein, um noch einen Platz zu ergattern. Wenn seine Flötentöne erklangen war es wie beim Rattenfänger von Hameln, man wurde magisch davon angezogen. Bei seinen Auftritten arbeitete er viel mit Jörg Zink, dem Theologen und Mitbegründer der Grünen Partei, der wunderbare Texte geschrieben hat und mutig die Institution Kirche in aller Öffentlichkeit kritisierte. Später kamen die feministische Theologin Dorothee Sölle, Pater Anselm Grün und die damalige Bischöfin Margot Käßmann dazu.

Er war maßgeblich daran beteiligt, die musikalische Vielfalt auf den Kirchentagen voran zu bringen. Auf die Frage, ob er in Berlin auf dem Kirchentag spiele, verneinte er mit der Antwort:  „Ich war lange genug dabei, jetzt ist etwas anderes dran“.

Gegenwart

Hufeisen lebt derzeit in Zürich und schreibt an einem eigenen Stück, das demnächst zur Uraufführung kommen wird. Auf die Frage, was seine Zukunftspläne seien, antwortete er: „Ich habe keine, vielleicht mache ich eine Zeit lang gar nichts“.

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