Thomas Frings – ein Pfarrer auf neuen Wegen, Teil 3

Frings zu Gast in Böblingen

In der Reihe Lesung & Gespräch sprach Pfarrer Thomas Frings am 20. September vor ca. 100 Personen im ökumenischen Gemeindezentrum Diezenhalde in Böblingen über sein Buch „Aus, Amen, Ende?“

von Gerlinde Münch

Thomas Frings, der seit vielen Jahren als Pfarrer Gemeinden betreute, ist nun an einem Punkt angekommen, wo er so nicht mehr weiter machen möchte. Die alte Form der Volkskirche habe ausgedient, meint er. Seine Vision ist eine Entscheidungsgemeinde, wo entschiedene Christinnen und Christen sich bewusst einbringen und damit Ihre Gemeinde nach Ihren Bedürfnissen entwickeln. Der Gäubote Herrenberg kündigte die Veranstaltung als kirchenpolitisch explosiven Abend an.

„Gesicht der Krise der Kirche“

Ein Journalist betitelte Pastor Frings als Gesicht der Krise der Kirche in Deutschland. Eigentlich müsste doch jedem klar sein, dass die Kirche so wie sie sich derzeit darstelle, für viele nicht mehr attraktiv genug sei. Die Bindungskraft der Kirche ist seit Jahrzehnten rückläufig und für viele hat sie an Bedeutung verloren. Dies betreffe die evangelische Kirche in gleichem Maße wie die katholische.

Reaktion der Verantwortlichen darauf

Frings erläutert: „Im Norden wurde ein Diözesanforum auf den Weg gebracht und bei euch in der Diözese Rottenburg „Kirche am Ort“ (KiamO). Deren Aufgabe sollte sein, zu analysieren, an was es liege, dass so wenige noch Interesse an Kirche haben und Erarbeitung von Lösungsvorschlägen. Doch macht das Sinn?“ Pfarrer Frings verneint diese Frage. Die Kirche müsse sich ändern und den neuen Lebensbedingungen und Sehnsüchten nach Spiritualität der Menschen näher kommen. Das ist aber nicht möglich, wenn die Institution Kirche kein Stück von den alten Formen abweiche und die fatale Situation immer nur schönrede.

Zusammenlegung von Gemeinden

Frings legt dar, dass die Kirche die einzige Institution sei, die schon weltweit vernetzt war, bevor es Internet gab. Jeder Christ und jede Christin auf der ganzen Welt gehöre zu einer Gemeinde und somit auch zu einer Diözese.
Große Probleme machten Frings in der Vergangenheit die häufigen Zusammenlegungen von Kirchengemeinden. Er meint, das sei auch mit ein Grund für die Schieflage des Konzerns Kirche. In seiner Laufbahn als Pastor war er in seinen Gemeinden überall der Letzte. Damit meint er, dass er eine „Abteilung“ (sprich – Gemeinde) anführte und wenn sie funktionierte wurde sie wieder aufgelöst, weil wieder eine Zusammenlegung anstand und er bekam die Verantwortung für eine neue zusammengelegte Gesamtgemeinde. Die Gebiete, die ein Pastor oder Priester zu betreuen habe, werden immer größer. Das zeige deutlich, dass sich die Kirche aus der Fläche zurückziehe.

Zum Thema Priestermangel

Früher war es eine Ehre für die Familie, wenn ein Priester daraus hervorging. Der Schwund an Bereitschaft, diesen Dienst zu tun, spricht deutlich für sich. Als Pfarrer Frings vor vielen Jahren ins Priesteramt ging, waren es in seinem Jahrgang 120 Teilnehmer allein aus der Diözese Münster. Im letzten Jahr waren es, lt. Pfarrer Frings, aus drei Diözesen zusammengelegt, nur noch 25 Priesteranwärter. Das habe viele Gründe und liege nicht nur am Zölibat. Die Größe der Gesamtgemeinden zwingt die Hauptamtlichen oft dazu, nur noch Verwalter ihrer Gemeinde zu sein und das seelsorgerliche komme dabei zu kurz.

Das „FDP-Prinzip“

Bedauernd trug Frings vor: „Wir lebten lange das FDP-Prinzip, d.h. „Fast Drei Prozent“. Damit gemeint sind fast 3% der Kirchenmitglieder gehen zu den Gottesdiensten.“ Das waren seiner Meinung nach noch gute Zeiten. Heute seien es vielerorts nur noch 1%. Nicht selten komme es vor, dass bei Gottesdiensten eine handvoll Menschen im Kirchenraum sitzen. Und dafür müsse das gesamte Aufgebot für den Gottesdienst präsent sein – Pfarrer, Mesnerin, Organist/in und Blumenschmuck. Macht das Sinn, fragt er.

Frings meint, im Feste feiern hätten die Katholiken den Evangelischen was voraus. Kirchenfeste werden gerne gefeiert, da sie das Jahr strukturieren, aber die Inhalte spielen dabei für viele Menschen keine Rolle mehr. Damit sind vor allem die Kirchenfernen gemeint, die z.B. zur Christmette oder zum Ostergottesdienst gehen, weil es halt dazu gehört, aber die spirituelle Beteiligung oftmals fehle.

Zum Thema Hauptamtliche

Im Moment definiere sich die Kirche durch die Hauptamtlichen. Frings meint dazu provozierend: Wer nicht Hauptamtliche/r sei, sei auch nicht Kirche, da die übrigen Christen als Kunden auftreten mit Forderungen an die Hauptamtlichen.
Aber das sei eine falsche Entwicklung, bemängelt er. Das Evangelium gelte für die Getauften. Somit sei Jede und Jeder Kirche und sollte dies auch vor Ort leben und bezeugen. Denn nur durch vorleben kann man überzeugen und begeistern. Daher bekräftigt er nochmals, wie wichtig es sei, dass die Laien mehr Verantwortung in der Kirche leben und die Menschen nicht mehr so stark auf die Klerikalen fixiert sein sollten.

Zukunft und Hoffnung

Pastor Frings, der kurzfristig und vertretungsweise eine Pfarrei im Bistum Münster betreute, wird in wenigen Tagen keine Gemeinde mehr haben und  dadurch wohnungslos. Als er beim Personalbeauftragten seiner Diözese nach einer Pfarrgemeinde nachfragte, wurde ihm gesagt, dass für jemanden wie ihn kein Platz da sei. Zur Überbrückung, bis er ein neues Aufgabenfeld hat, wird er in seinem Wohnmobil leben. Eine Perspektive bietet ihm ein Frauenorden in Köln, der dort ein geistliches Zentrum aufbauen wird. Seine Bemühungen gelten weiterhin, eine Pfarrgemeinde zu finden, in der er nach seiner Motivation wirken kann. Sollte dies aber nicht möglich sein und sich auch kein anderes, für ihn adäquates Wirkungsfeld in seiner Diözese finden lassen, sei er auch bereit, sich zum Geldverdienen eine Arbeit irgendwo anders zu suchen. Auf die Frage hin, ob er seine Entscheidung schon mal bereut habe, antwortete er: „Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zu kommt, hätte ich nicht den Mut dazu gehabt. Aber jetzt bin ich froh, dass ich dadurch meinen Blickwinkel erweitern konnte.“
Von den Zuhörerinnen und Zuhörern wurde der authentische Vortrag von Pastor Frings sehr gut aufgenommen und viele lobten ihn, für seinen Mut, einen neuen Weg zu gehen und wünschten ihm alles Gute für die Zukunft.

Mein Fazit

Als ich Herrn Frings danach fragte, warum er es nicht in seiner Kirchengemeinde, die er vor über einem Jahr verließ, versuchte, ein Stück weit dies umzusetzen, was er sich von einer Entscheidungsgemeinde erwünschte, antwortete er: „Die Gemeinde wollte das nicht.“ Sein Vortrag machte deutlich, wie ernst er es damit meint, nicht mehr so weiter machen zu können, wie bisher. Mir kam Pfarrer Frings ein wenig vor, als wenn er gegen Windmühlenräder kämpfe. Entsprechend wirkte er auch müde und resigniert. Mit seiner Kritik an der jetzigen Situation und an der Institution Kirche steht er nicht allein. Auch die elf Priester aus Köln haben dies in einem offenen Brief dargelegt. Darüber wurde bereits ein Artikel auf unserer Homepage veröffentlicht. Link zum Artikel

Link zum offenen Brief der elf Kölner Priester im Wortlaut

Unser Papst Franziskus fordert mutige Vorschläge von den Bischöfen ein. Mit Pfarrer Frings haben wir einen Querdenker und Visionär in unseren Reihen. Die Kirche wäre daher gut beraten, wenn sie einen Platz für ihn findet. Um etwas Neues auf den Weg zu bringen, bedarf es eines mutigen Geistes und auch Konsequenz.

Wenn ich nun gefragt würde, ob es für mich denkbar wäre, in einer Entscheidungsgemeinde mitzuwirken, bin ich mir nicht sicher, ob ich das wollte.   Den Gedanken an eine Entscheidungsgemeinde finde ich faszinierend, weil es die Chance birgt, sich mit seinem Glauben in einer neuen Tiefe auseinanderzusetzen. Aber es würde auch erfordern, dass ich viel Zeit und Engagement darauf verwenden müsste und das in einem Maße, wie ich mir das für mich zur Zeit nicht vorstellen könnte. Und außerdem: Es gibt ja auch ein Leben „neben“ der Gemeinde – und da ist es wichtig, dieses als Christ zu gestalten. Eins ist für mich sicher, durch Pfarrer Frings Buch und Vortrag wurde ich zu neuem Nachdenken über meinen Glauben angeregt.

Wie stehen Sie dazu? Ihre Meinung würde sehr interessieren!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.