50 Jahre Kirche in Kusterdingen – gepaart mit ökumenischem Weitblick

„Full-House“ zum Patrozinium in der katholischen Kirche St. Stephanus in Kusterdingen. Vor 50 Jahren bekamen die Kusterdinger Katholiken ihre eigene Kirche. Auf der Basis von damals 230 Katholiken wurde beschlossen, eine Kirche zu bauen. „So etwas wäre heute nicht mehr möglich“, so Pfarrer Tomas Begovic.

von Rainer Degen

„Bettelpredigten“ zur Mittelbeschaffung

Unter der Führung von Pfarrer Anton Durner wurde das Projekt im Jahr 1966 in Angriff genommen. Die feierliche Einweihung fand am 9. Oktober 1966 statt. Bis es soweit war, musste Einiges in Bewegung gesetzt werden. Damals wie auch heute noch musste zunächst die Finanzierung sichergestellt werden. Die Baukosten trug zu etwa der Hälfte das bischöfliche Ordinariat. Den anderen Teil musste die Gemeinde beisteuern. Das war ordentlich.

Bettel-Prospekt von Pfarrer Durner

Um das Geld zu beschaffen, bekam Pfarrer Durner die Dekanate Spaichingen und Tuttlingen zugeteilt, um „Bettelpredigten“ abzuhalten. Auf diesem Weg generierte er stattliche 23.000 DM. Des Weiteren kamen Spenden aus der Gemeinde hinzu. Auch der Tabernakel und der Kelch waren Spenden. Am Ende mussten lediglich 20.000 DM von Seiten der Gemeinde finanziert werden.

Kirche stand innerhalb einer Woche

Bei der Konstruktion der Kirche handelt es sich um eine Bauteil- bzw. Fertigteilkirche. „Die letzte von 24 Kirchen dieser Art“, so erinnert sich Pfarrer Durner. Als das Fundament gesetzt war, stand die Kirche innerhalb einer Woche. „Da haben selbst die Kusterdinger gestaunt“, umschreibt er das Tempo beim Bau. Die Gemeinde Kusterdingen hatte einen Bauplatz mit herrlicher Aussicht ins Neckartal und hinüber nach Kirchentellinsfurt zur Verfügung gestellt. Bei der Namensgebung vermied man es dann einen Namen wie Marienkirche zu wählen, der möglicherweise bei den evangelischen Mitchristen auf Unverständnis gestoßen wäre. Aber wie man dann letztendlich auf den Stephanus kam, weiß selbst Pfarrer Durner auch nicht mehr. Wenn man in der katholischen Kirche geschichtlich nicht weiter weiß, hilft ein Blick ins Archiv. Dort ist nachzulesen, dass man sich aus ökumenischen Gründen für einen biblischen Heiligen entschieden hat. Na da schau her: Nicht Route 66, sondern Ökumene 66.

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Pfarrer Durner erinnert im Rahmen seines Vortrags vom 15.12.2016 an den Bau der Kirche

Beim Patrozinium am 26.12. stand das Jubiläum im Mittelpunkt

Mit einem Blick 50 Jahre zurück leitete Pfarrer Durner durch seinen Vortrag  – seinerzeit der „Bauträger“ – am 15.12. den Höhepunkt zum Jubiläum des Kirchbaus ein. Es folgte das Hochamt zum Patrozinium am 26.12. in der Kusterdinger Kirche. Der Liederkranz Kusterdingen füllte den Raum mit choraler Stimmigkeit. Orgel und Geige sorgten für sphärische Klänge.

Im Anschluss Sektempfang

Anschließend lud die Kirchengemeinde zum Sektempfang ein. Pfarrer Tomas Begovic begrüßte die Anwesenden. Leider muss man feststellen, dass nur ein überschaubarer Teil der Kirchengemeinde sich die Zeit für diesen Moment nahm. Dabei waren die Ansprachen vom stellvertretenden Bürgermeister Lumpp und der Pfarrerin Susanne Fleischer von der evangelischen Kirche durchweg hörenswert. Herr Lumpp dankte „für die von der katholischen Kirchengemeinde  auf den unterschiedlichsten Gebieten geleistete Arbeit zum Wohle der Menschen in Kusterdingen“. Sein Wunsch: „… zum 50. Geburtstag Gottes Segen, eine lebendige und kraftvolle Zukunft  und ein weiterhin gutes Miteinander von Katholiken und Protestanten“.

Pfarrer Durner

„Als Christinnen und Christen gemeinsam das Zeugnis unseres Glaubens in die Welt tragen“

Pfarrerin Fleischer hob in Ihrem Gruß hervor, sie sei „froh und dankbar für die ökumenische Zusammenarbeit, zum Beispiel den gemeinsamen Dienst im Gemeindepflegehaus. Oder auch dafür, dass die katholische Kirchengemeinde nun Mitglied in der Trägerschaft der Diakoniestation Härten e.V. wird. Besonders schön ist es, regelmäßig gemeinsam Gottesdienst zu feiern, sei es auf dem Einsiedel oder den Familiengottesdienst im Advent. Im nächsten Jahr wird es noch einen ökumenischen Gottesdienst extra geben, nämlich in der Jubiläumswoche zum Reformationsjubiläum im Oktober. Schön, dass wir dieses Fest ökumenisch begehen und damit sagen: Heute ist uns das Verbindende zwischen unseren Konfessionen wichtiger.“ Besonders beeindruckte sie in Ihrer mehrfach mit Applaus bedachten Rede mit dem Satz: „dass es tatsächlich heute und auch in Zukunft immer mehr unsere Aufgabe sein wird, als Christinnen und Christen gemeinsam das Zeugnis unseres Glaubens in die Welt zu tragen.“
Das dazu passende Geschenk von ihr: die im Oktober 2016 erschienene neu revidierte Lutherübersetzung.
Musikalisch begleitete die Veranstaltung das Duo Juan Remón und Sergej Riasanow.

Duo Juan Remón (Tenor) und Sergej Riasanow (Akkordeon).

Was bleibt also:

50 Jahre sind schon mal ein nachhaltiger Fußabdruck und die Ökumene, die war an diesem Morgen unverkrampft und wohltuend spürbar. Und eines sei auch noch gesagt: es wäre schön wenn es uns öfter gelingt, diese Kirche zum „Full-House“ zu machen und wir uns als offene, aktive Gemeinde fühlen und es dann am Ende auch tatsächlich sind.

  • Skizze der Kirche von 1966

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