Gelassenheit

 

Zum erstem Mal war er wieder hier, ein langjähriger Freund, nachdem er im März nach Bulgarien ans Schwarze Meer übergesiedelt war. Dienstliches war zu erledigen, Verwandte zu besuchen, Freunde zu kontaktieren. Nur knapp drei Wochen – die Tage waren ausgefüllt. Umso schöner, dass auch wir einige Stunden miteinander verbringen konnten.

Ob er sich gut eingelebt hat und wie er sich in der alten Umgebung nun fühlt? Der Aufenthalt hier habe ihm deutlich gemacht: „Meine Heimat ist am Schwarzen Meer.“ Hier fühle er sich fremd, die Leute seien so angespannt, verkniffen, unzufrieden und voller Ansprüche. In Bulgarien dagegen, wo der Lebensstandard bei weitem nicht an den unsrigen heranreicht, nähmen es die Menschen halt wie es kommt, denn sie wüssten, dass vom Staat nichts zu erwarten sei.

Mich hat das nicht überrascht, aber doch betroffen gemacht. Die Situationsbeschreibung deckt sich mit meiner Beobachtung. Die Fälle aus meinem Bekanntenkreis, die in anderen Ländern ihr Glück suchen, häufen sich. Und das Miesepetrige, auch und vor allem in der veröffentlichten Meinung, ist tagtäglich mit den Händen zu greifen. Es gilt, das „Haar in der Suppe“ zu finden, anstatt die Versuche, Lösungen für Probleme aufzuspüren, die es sicherlich gibt, zu honorieren. So entwickelt sich eine Stimmungsspirale nach unten, die alles, was unser Leben angenehm und lebenswert macht, vergessen lässt. Und so wundert es nicht, dass Deutschland, eines der wirtschaftlich stärksten Länder, nach dem World Happiness Report auf der Glücksskala „unter ferner liefen“ rangiert.

Dabei wäre es so einfach, die angenehmen Seiten des Lebens zur Geltung kommen zu lassen. Mit ein bisschen „Gelassenheit“ wäre viel gewonnen! Ein wahres Zauberwort, in dem Begriffe wie „lassen“, „zulassen“, „los lassen“, „sich verlassen“ anklingen. Aus einer Haltung der Gelassenheit kann ich andere machen lassen; kann ich Erfreuliches und Belastendes zulassen; kann ich von Gewohnheiten, die sich als hinderlich oder störend erweisen, los lassen; kann ich das erforderliche Vertrauen darauf entwickeln, dass ich mich auf andere verlassen kann.

Wäre doch ein lohnenswertes Unterfangen, sich in Gelassenheit zu üben, jetzt und im kommenden Advent!

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